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Schreibtipps: Einzelband oder Reihe?

Wieso sollte ich mir diese Frage überhaupt stellen?

Ich gebe zu, am Anfang habe ich auch so gedacht. Eine meiner Lieblingsreihen hat zwei Mal sieben Bände, eine Geschichte also, die in zwei Zyklen unterteilt ist, sozusagen. ;-) Aber wer weiss denn schon beim ersten Buch - nein, Moment, vor dem ersten Buch -, was alles passieren wird und wie viele Seiten oder Buchstaben das brauchen wird? So weit kann doch niemand planen. Oder etwa doch?

 

Auch wenn ich kein Freund vom detaillierten Plotten bin, weiss ich inzwischen: Ja, das geht. Einigermassen, zumindest. Und als Leser weiss man ja nicht, durch welche Höhen und Tiefen so ein Autor geht, um die Geschichte so lang und "dicht" zu machen, dass sie mir den Atem raubt. ;-)

 

Also halten wir fest: Es ist möglich, eine Reihe von Anfang an durchzuplanen.

 

Wichtig wird diese Erkenntnis dann, wenn du eine Reihe schreiben möchtest. Falls du die Geschichte gründlich geplottet hast, dann musst du auch nicht weiterlesen, denn dann bist du weiter als ich. ;-) Was aber, wenn dir das Planen so gar nicht liegt? Keine Bange, auch das funktioniert. Es gibt Mittel und Wege, die eben doch sehr nahe am Plotten sind, die man aber (offiziell) nicht dazuzählt, weil es nicht offensichtlich ist.

 

Eine Reihe besteht aus mehreren Einzelbänden. Das können zwei oder x sein. Ein übergeordnetes Thema ist über alle Bände hinweg ersichtlich, aber in den einzelnen Büchern/Abschnitten gibt es "kleinere" Probleme, die an die Hand genommen werden. Bei Harry Potter ist das übergeordnete Thema die Bedrohung durch Voldemort, die Einzelthemen sind der Stein der Weisen oder das Turnier. Gerade bei Harry Potter sind aber noch zahlreiche Subplots zu erkennen (wie sie sich verlieben, zum Beispiel, oder wie Fred und George ihren Spassartikel-Laden eröffnen, ...). Ich denke, gerade das macht einen Grossteil der Faszination für Harry Potter aus.

 

Um nun das übergeordnete Thema nicht aus den Augen zu verlieren und sich im Dschungel der Subplots zu verirren, braucht es einen Plan. Den nennt man bei uns Autoren Plot. ;-)

 

Wie plotte ich eine Reihe?

Kurze Antwort: So, damit du zurechtkommst damit. ;-)

 

Da das allein aber noch keine (befriedigende) Antwort ist, versuche ich mich an einem Beispiel.

 

Eine Liebesgeschichte, sie ist eine Hexe, die niemanden an sich heranlässt, weil sie immer wieder verletzt wurde. Er ist ein Hexenjäger, ein sehr guter noch dazu. Doch das linke Auge, das er bei einem Kampf verloren hat, ist ihm ein Dorn im Auge. (Flacher Witz, du darfst lachen.) Es soll ein Dreiteiler werden.

 

Der erste Bogen vom Anfang zum Ende ist gespannt. Es gibt eine Ausgangslage und ein Ziel, dazu noch einen Konflikt (er will sie umbringen). Alle drei Bücher jetzt nur auf diesen paar Sätzen abzustützen wäre ... langweilig. Dann passiert immer wieder das Gleiche: Sie kommen zusammen, gehen auseinander und versprechen sich selbst, nie mehr was miteinander anzufangen. Dann, ups, sitzt er da im Kaffee und lächelt sie sooo charmant an. Ist im Prinzip auch okay, aber wenn du das drei Mal hintereinander mit denselben Protagonisten machst, dann werden sich auch die Leser langweilen.

 

Hingegen könnten sie im ersten Band entdecken, dass sie doch einiges gemeinsam haben, verbringen (vielleicht) eine heisse Nacht zusammen, wahrscheinlich aber nicht. Vielleicht treffen sie sich auch im "normalen" Leben und wissen erst noch nichts vom Beruf des anderen. Sie verlieben sich, erstes heftiges Schmetterlingsflattern. Dann platzt die Bombe, als sie ihn sieht, wie er ihre Kollegin jagt. Sie verteidigt die Hexe, er flieht, als Normalos schreien sie sich an und gehen auseinander. Erster Band Ende.

 

Zweiter Band: Mysteriöse Attacken auf Hexen machen die Runde. Es scheint Magie im Spiel zu sein, doch unsere Hexe kann nicht ausschliessen, dass Hexenjäger dahinter stecken. Sie sucht den Jäger auf und stellt ihn zur Rede. Er ist ziemlich durch den Wind, übermüdet und gesteht, dass es auch unter den Hexenjägern zu solchen Angriffen kommt. Gemeinsam, wenn auch nicht wirklich freiwillig, machen sie sich auf die Suche nach dem Angreifer und stellen ihn, doch er entkommt im letzten Augenblick. Aber der grosse Angriff auf die Hexen und ihre Jäger ist erst einmal abgewendet. Unsere Hexe und der Jäger entdecken, dass sie sich noch immer sehr mögen. Vielleicht hat der eine den anderen auch beschützt, oder umgekehrt, oder auch nicht. ;-)

 

Im dritten Band steht dann der Kampf gegen den Big Boss an (Achtung: Bedenke seine Motivation! Keiner ist einfach so von Grund auf "böse"). Die beiden überreden einige Hexen und Jäger, sich ihnen anzuschliessen und sammeln Informationen, bis sie das Nest des Angreifers aufspüren und ihn zur Strecke bringen.

 

So, das war eine erste, spontane Planung. ;-) Die habe ich mir nicht wirklich überlegt, sondern direkt aus den Fingern gesogen. Jetzt im Nachhinein würde ich erste Angriffe auf Hexen schon im ersten Band streuen (das ist Zündstoff zwischen unseren Liebenden). Dann hat man gleich zwei verschiedene Hauptthemen: Die Liebe der beiden, die eigentlich nicht sein kann, und die Angriffe.

 

Ihr seht, auch ein Plot ist nicht in Stein gemeisselt. Auch der kann sich, genau wie der erste Entwurf einer Geschichte, noch ändern.

 

Erfahrungen mit Einzelbänden und Reihen

Inzwischen habe ich eine Reihe im Entwurf geschrieben, einen Einzelband im Entwurf und zwei Einzelbände veröffentlicht. Ich kann dir sagen: Einzelbände sind einfacher. ;-) Ich hielt mich nicht an einen (niedergeschriebenen) Plot, sondern wusste einfach ein paar Standpunkte.

 

Im Bann des Gedankenlesers

Eine Druidin gerät in Gefahr, als sie erfährt, wer ihr Vater ist. Sie verliebt sich in einen verfeindeten Druiden.

 

Herzenstanz in Reykjavík

Beste Freunde gehen auf Reisen und verlieben sich ineinander. Happy End? (Da liess ich mir, bzw. den Charakteren die Entscheidung wirklich offen.)

 

Schattenwanderer

Verschiedene Völker mit verschiedenen Interessen. Abweichende Gesellschaftsstruktuer. Aus einem Mädchen wird trotz aller Widrigkeiten eine Frau. Erster Band: Rettung. Zweiter Band: Das "grosse Ganze" wird sichtbar(er). Dritter Band: Kampf und Auflösung.

 

Feenprinz

Winter, eine faszinierende Fee, die Suche nach der Grosstante und ganz, ganz viele Mysterien rund um Joanas Heimat. Und dazu eine herzerwärmende Liebesgeschichte (oder zwei), die den Winter vertreiben.

 

(Beim Schattenwanderer seht ihr, dass da kein wirklicher Konflikt vorhanden ist. Das liegt aber auch daran, dass ich einfach noch nicht wirklich weiss, was ich hier schon verraten möchte und was nicht. ;-) )

 

Bei keinem Einzelband hatte ich einen Plot geschrieben. Beim Gedankenleser wusste ich noch nicht einmal, dass es so etwas wie einen Plot gibt. Bei Herzenstanz war mir das Gefühl wichtig, die Freude und die Leichtigkeit der Geschichte. Lachen sollte man können, ein wenig (oder ein wenig mehr) Selbstironie darf dabei sein. ;-) Für den Feenprinz hatte ich vor eineinhalb Jahren plötzlich ein Bild vor mir: Eine Frau, die sich bei einem Teich mitten im Winter hinunterbeugt, um Wasser zu schöpfen.

 

Beim Schattenwanderer ... Der Schattenwanderer hatte eine wirklich schwere Geburt. Erst hatte ich den Anfang drei Mal neu geschrieben (jeweils 20'000 Wörter, also insgesamt ein ganzes, wenn auch kurzes Buch), dann wollte es besonders im Mittelteil einfach nicht weitergehen. Die Geschichte zog sich endlos. Eeeendlooooos! 10'000 Wörter mehr? Im Vergleich mit dem Gesamtprojekt (300'000 Wörter) ist das ein Tropfen auf dem heissen Stein. Nichts.

 

Ich schreibe etwa 8 bis 10 Stunden an diesen verd*** 10'000 Wörtern!

 

Aber: Nie habe ich so mitgelitten wie mit Tindra am Ende der Geschichte. Nie fiel es mir so schwer, die letzten Kapitel zu schreiben - weil ich einfach nicht wollte, dass die wunderbare Reise mit diesen verkorksten, liebenswerten, manchmal viel zu sturen Charakteren zu Ende geht. Ich habe mich gedrückt, die letzten Zeilen zu schreiben, und wie ich mich gedrückt habe!

 

Noch ein interessanter Nachtrag: Bei der Überarbeitung habe ich das letzte Kapitel noch einmal komplett neu geschrieben. Ich habe so geheult, dass ich blind tippte.

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