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Schreibtipps: Meine Überarbeitungsschritte

Der erste Schritt

Es mag sich banal anhören, vielleicht sogar besserwisserisch, aber: Bevor etwas überarbeitet werden kann, muss ein Rohentwurf da sein. Die Geschichte muss zu Ende geschrieben sein, bevor sie sinnvoll überarbeitet werden kann.

 

Das heisst nicht, dass man einen Rechtschreibfehler nicht korrigieren sollte, wenn man ihn sieht. Einige plädieren zwar genau dafür. Ich kenne Autoren, die schreiben blind, weil sie so tief in der Geschichte versinken. Andere - wie ich - schreiben, spielen aber in den Gedanken schon mit der Satzstellung des nächsten Satzes. ;-) Dadurch komme ich in der Rohfassung teilweise nicht so schnell voran wie andere, dafür brauche ich weniger Zeit in der Überarbeitung. :-)

 

Also, angenommen, ich habe (mal wieder ;-) ) einen Rohentwurf vor mir liegen. Dann kommen verschiedene Schritte auf mich zu:

 

Meine verschiedenen Überarbeitungsschritte

Pause

Als erstes lasse ich das Manuskript ruhen. Manchmal dauert das einen, manchmal auch vier Monate. Hauptsache, ich komme "weg davon". Am besten klappt es bei mir, wenn ich in der Zwischenzeit etwas Neues schreibe und viel lese.

 

Ausnahme: Wenn ich während des Schreibens einige Plotlöcher entdeckt habe, die ich aber nicht direkt korrigiert habe, mache ich das direkt im Anschluss an den Rohentwurf.

 

Erste Überarbeitung

Ich gebe zu, wenn ich das Manuskript ruhen lasse, kann ich nicht einfach nicht daran denken. ;-) Ich überlege mir, welche Stellen mir nicht passen, und notiere mir die Punkte.

 

Ein Beispiel: Beim ersten Teil des Schattenwanderers gibt es am Ende eine Wendung, die einzig und alleine auf der Einstellung einer Person beruht. Tindra (unsere Hauptperson) kennt diesen Menschen sehr gut und weiss, wie dieser über ihr Handeln denken würde. Doch im ganzen Text von immerhin 450 Normseiten macht sie sich keinen Augenblick Sorgen darüber. Also stand da: "Tindra sollte sich hin und wieder fragen, was XY macht, wenn sie es erfährt."

 

Am Ende waren es dann nur ca. 5-10 Sätze, die ich an zwei bis drei Stellen zu diesem Thema geschrieben habe. Aber: Sie sind da. Sie warnen ein bisschen vor. ;-)

 

Erste Testleser

Nach der ersten Überarbeitung schicke ich das Manuskript an meine Vertrauens-Testleserin. Beim Gedankenleser war es mein Mann, aber der ist ja ausgestiegen, weil er lieber "fertige" Bücher lesen möchte. ;-D Meine erste Testleserin kommt aus meinem Freundeskreis, ist aber auch kritisch - was extrem wichtig ist. Aber auch nicht zu kritisch, dass ich mich frage, ob die Geschichte überhaupt etwas taugt. ;-) Mit ihr setze ich mich regelmässig zusammen, um zu quatschen. Wenn dann ein Manuskript aktuell ist, wird es zerpflückt. Mir fällt es in der direkten Diskussion einfacher, Kritik anzunehmen, als bei schriftlichen Rückmeldungen.

 

Zweite Überarbeitungsrunde

In einem zweiten Durchgang merze ich die Ungereimtheiten und Unklarheiten aus der ersten Testleserrune aus. Auch hier arbeite ich wieder eigene Überlegungen ein - so ein Manuskript ist schliesslich ein ziemlich grosses Werk und in der Regel mit vielen Fehlern behaftet. ;-)

 

Zweite Testleserrunde

Jetzt habe ich langsam das Gefühl, dass meine Geschichte rund und stimmig wird. Ich freue mich immer mehr, strahle, wenn ich an sie denke. Dann ist es Zeit, die Geschichte einigen fremden Augen zu zeigen. Bei Im Bann des Gedankenlesers hatte ich keine Wahl und "musste" auf ganz fremde Menschen zurückgreifen. Ich war froh, dass ich das Manuskript in vier Teile geteilt habe. Erstens bekam ich so regelmässig Rückmeldungen und Dinge, die am Anfang sauer aufstiessen, gingen am Ende in der Rückmeldung nicht vergessen. Zweitens kann so niemand gratis eine Geschichte abstauben und nach 400 Seiten ein "gut so" zurückschreiben. Das hilft mir und meinem Manuskript nicht.

 

Inzwischen habe ich einen kleinen Leserstamm, unter denen auch ganz kritische Leser sind. ;-) Ich bevorzuge eine Mischung aus mir bekannten Lesern und unbekannten Testlesern.

 

Dritte Überarbeitungsrunde

Nachdem ich die Rückmeldungen erhalten habe, schaue ich mir die Kritikpunkte an, lausche in mich hinein und gehe oft nach meinem Bauchgefühl. Wenn ich Bedenken habe, dass es an einer Stelle zu wenig spannend sein könnte, kommt meist genau diese Rückmeldung auch. Und wenn es nur ein Testleser von fünfen anmerkt, ändere ich das dann.

 

Schreiben mehrere Testleser, dass ihnen das Ende ein bisschen schwammig rüberkommt, dann ändere ich etwas am Ende. Oft sind es nur kleine Veränderungen, keine grossen Sachen. Eine Entschuldigung, die noch ein bisschen genauer formuliert sein will, ein Abschied, der zu plötzlich kommt.

 

Meint ein Testleser, dass das ganze Buch kacke ist, trifft mich das natürlich. Aber auch da: Es ist eine Meinung. Geschmäcker sind verschieden. Alle wissen das. So what? In der Regel bedanke ich mich dafür, dass sie oder er sich die Zeit genommen haben, zu lesen, und ergänze, dass ich mir die Punkte durch den Kopf werde gehen lassen und das in das Manuskript einbauen werde, was ich für richtig empfinde. ;-) Höflich, aber ehrlich.

 

Die vierte Überarbeitungsrunde

Ich gebe zu, die vierte Runde kommt nicht immer zum Tragen. Aber das ist die Runde, in der ich die Geschichte noch einmal lese, mir vorstelle, dass das in einem Buch steht, und dann die Sachen ändere (meist Satzstellungen oder kurze Erläuterungen, die dann doch noch fehlen), die mir nicht passen. Wenn ich nichts mehr finde und rundum zufrieden bin, geht es mit der Geschichte ab ins Lektorat und Korrektorat. <3

 

Der zeitliche Aspekt

Wenn ich mir die Liste so ansehe, sind das eine ganze Menge Punkte, die ich abhake, bevor ein Manuskript fertig ist. ;-) Das braucht Zeit, bei den einen weniger, bei den anderen mehr. Bei mir war es so:

 

Im Bann des Gedankenlesers

Drei Monate an der Rohfassung geschrieben (100'000 Wörter) und insgesamt neun Monate überarbeitet (eigene Runden, Testleser, Korrektorat, Buchsatz und Layout)

Genau ein Jahr vom ersten Wort bis zur Veröffentlichung.

 

Herzenstanz in Reykjavík

Achtung: Speed-Buch, kein Vergleich zu den anderen! ;-)

Einen Monat an der Rohfassung geschrieben (50'000 Wörter), einen Monat ruhen lassen, Überarbeitung (nur eigene) und dann Lektorat und Korrektorat, Buchsatz, Layout (drei Monate)

Vier Monate vom ersten Wort bis zur Veröffentlichung.

 

Schattenwanderer I

Drei Monate für die Rohfassung (100'000 Wörter), Testleserrunden fünf Monate später durch, Rückmeldungen eingebaut. Die Verlagssuche hat die Veröffentlichung um sechs Monate verzögert. Veröffentlichung ca. 16 Monate nach dem ersten Wort.

 

Feenprinz

Als "Notfallprojekt" geplant, falls der Schattenwanderer in einem Verlag untergekommen wäre.

Zwei Monate für die Rohfassung (70'000 Wörter), Überarbeitung und Testleserrunden drei Monate, Veröffentlichung geplant: Zwischen sieben und zehn Monate nach dem ersten Wort.

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