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Writing Excuses Masterclass 10.7

Wir erinnern uns an die Szene auf dem Marktplatz, bei dem drei Leute etwas abliefern mussten. Heute geht es darum, die Szene aus dem Blickwinkel eines anderen Charakters zu schreiben und die ehemalige Hauptperson zu einem Nebencharakter zu machen, sozusagen.

 

Wer sind all diese Leute?

Im zweiten Monat der Writing Excuses Masterclass stehen die Charakter im Fokus. Dabei gibt es einige Herausforderungen, die helfen sollen, die Personen in der Geschichte zu entdecken. Egal, ob es sich um wenige oder viele handeln, der Autor muss wissen, wieso sie im Buch sind, ob sie Hauptcharaktere sind, Nebencharaktere oder Statisten, und welche Rolle sie in der Geschichte erfüllen.

 

Für die Aufgabe habe ich mir die Szene mit Aisa ausgesucht.

 

Bruma zog den Mantel enger um ihre Schultern. Die Kälte zwickte sie in den alten Knochen, die Gelenke knackten, wenn sie sich bewegte. Also besser einfach nicht bewegen. Dennoch entfuhr ihr ein tiefes Seufzen. Früher war ihr Stand beliebt gewesen, ihre Stoffe begehrt. Sie hatte immer einen Platz mitten im Trubel erhalten, der ihr nicht nur die beste Kundschaft, sondern auch einflussreiche Freunde gebracht hatte.

Ihr Blick huschte zur Mitte des Marktplatzes. Trotz des kühlen Windes hatten sich zahlreiche Stadtbewohner aufgemacht, um einzukaufen. Kein Wunder, der Markt fand nur einmal in der Woche statt. Wer etwas vergass, musste entweder eine Woche warten oder ging in die Dörfer hinaus, um die Sachen direkt beim Bauern zu erwerben.

Es war lange her, seit sie nur Stoffe verkauft hatte. Irgendwann hatte sie angefangen, als Mittelsfrau zu agieren. Sie hatte gedacht, es wäre eine gute Idee. Sie war tatsächlich naiv genug gewesen zu denken, all die Intrigen und Machtspiele könnten ihr nichts anhaben. Und nun ... Sie schüttelte dne Kopf. Am Rand des Marktplatzes hatte sie mit Müh und Not einen Stand ergattern können, obwohl sie wusste, dass niemand ihr auch nur einen Ballen Stoff abkaufen würde.

Doch heute wartete sie auf andere Kundschaft als einen Käufer. Sie spähte durch die Menge und erblickte ein junges Ding, das sich nicht wohl in der Haut fühlte. Sie passte auch gar nicht hierher, obwohl sie mit ihren blonden Haaren und der hellen Haut zu den Leuten hier passten. Doch sie stank nach Nervosität und Unwohlsein.

Bruma wandte sich ab. Sie war es, sie war sich sicher.

Nur kurze Zeit später stand die Frau an ihrem Stand. "Guten Tag." Sie hüpfte fast von einem Bein auf das andere, so aufgeregt war sie. "Habt Ihr ... hm, auch andere Stoffe?"

Was wollte die denn? Wer hatte so ein unerfahrenes Ding mit so einer wichtigen Aufgabe vertraut? Wenn ein Feind in der Nähe war, würde es nur ein paar Gassen brauchen, und sie würde alles verlieren, was ihr wichtig war.

Bruma riss sich zusammen. "Hä?" Vielleicht, wenn sie so tat, als würde sie kein Wort verstehen, hielt es mögliche Feinde davon ab, sie und das Mädchen zu verfolgen.

Die Fremde gab sich Mühe, nicht mit den Augen zu rollen, dennoch konnte sie den Ärger nicht ganz verbergen. Sie wandte den Kopf zu beiden Seiten, dann liess sie ihre Tasche fallen. "Oh." Sie riss ihre Augen auf und verschwand unter dem Tisch, als sie sich bückte, um sie aufzuheben.

So also übergaben junge Leute einen wichtigen Brief. Bruma grinste. Sie war besser gewesen. Sie hatte gespielt. Und es geliebt.

Als das schöne Gesicht der Frau wieder auftauchte, lächelte sie, doch die Freude erreichte ihre Augen nicht. "Einen wunderschönen Tag wünsche ich Euch." Sie reckte das Kinn und eilte davon.

Bruma blickte ihr hinterher. Armes Ding. Sie hatte ihr das Gefühl gegeben, völlig fehl am Platz zu sein. Als würde sie etwas Falsches tun. Genau genommen hatte sie das auch. Jedenfalls vermutete sie das.

Als sie sich bückte, um den Umschlag an sich zunehmen, schoss ein gleissender Blitz aus Schmerz durch ihre Hüfte. Sie stöhnte. Hoffentlich war es morgen auf dem Dorfmarkt wärmer.

Hach, diese Szene war mal wieder schön zu schreiben. Es hat mir richtig Spass gemacht, in Brunas Haut zu schlüpfen und zu beobachten, wie ungeschickt sich Aisa anstellt. Was meinst du dazu?

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