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Writing Excuses Masterclass 10.14

Heute, endlich: Beginne mit deiner Geschichte! Schreibe 500 Wörter. Konzentriere dich dabei auf ein einziges Versprechen, das du für deine Geschichte identifiziert hast. Dann stoppe und starte noch einmal 500 Wörter mit einem anderen Versprechen. Uuuuund dann noch ein drittes Mal.

 

Na, aber gerne doch! :-D

 

Anfänge

Hier mein erster Anfang:

 Der Nebel schlang seine filigranen, durchscheinenden Arme um eine Baumgruppe, die es sich auf einem Hügel gemütlich gemacht hatte, als wollte sie das umgebende Land überblicken. Doch zu sehen gab es nichts – nichts, ausser dieser Suppe aus düsterem Weiss. Es schluckte Konturen und Farben, verstärkte Geräuschen und vereinnahmte sie dennoch, als gehörten sie ihm.

Mit den Augen folgte Rory dem Strahl, den die frühe Morgensonne über den Nebel warf. Noch wehrte er sich, indem er sich an jeden Busch klammerte, der sich in der Senke einen Platz gesucht hatte.

Aus dem Nebelmeer stieg eine feine Rauchsäule auf. Noch erhob sie sich direkt in den Himmel, doch später, wenn die Wärme der Sonne die Luft zum Tanzen brachte, würde sie kaum mehr sichtbar sein.

Wieder erklang dieses Lied, das so tief in ihr Herz kroch, dass es drohte, mit dem Schlagen aufzuhören. Rory widerstand dem Drang, sich an die Brust zu greifen und den Schmerz irgendwie zu lindern. Wie schaffte es ein Ton überhaupt, so tief in ihr Inneres zu dringen und ihren Körper zu beeinflussen.

In den letzten Tagen hatte sie das Lied öfter gehört und doch nicht. Es klang nicht in ihren Ohren, sondern in ihrer Brust, wie Trommelschläge, die durch den ganzen Körper drangen und ihn erschütterten. Genau so, nur leiser. Eigentlich stumm.

Nur sie wusste, dass das Lied da war, wenn der Nebel um die Bäume strich und das Land einnahm. Des Nachts, wenn alle schliefen, erhob er seine Stimme. Es musste der Schrecken sein, der in dem Nebel innewohnte und die Leute wahnsinnig werden liess, wenn er sie berührte.

Sie schrien und wälzten sich im Bett. Meist schwitzten sie und die Haut war dennoch kalt. In ihren haarsträubenden Träumen erzählten sie Geschichten, die jedes vernünftige Herz zu Eis gefrieren liessen. Aus Angst, aus Sorge, vor Schrecken.

Rory kannte die Erzählungen. Doch mehr als diese interessierte sie das Lied des Nebels. Es klang traurig und einsam und an einer bisher unbekannten Stelle ihres Herzens schmerzte es.

Sie erhob sich, seufzte und starrte auf die Ebene, von der sich der Nebel nach und nach löste. Es war das Spiel, dass er mit der Sonne fast jeden Tag spielte. Deshalb gab es hier so viel Moos und Wasser, das an anderen Orten fehlte.

 

Sie musste nach Hause. Der Gildenmeister erwartete sie, und dennoch konnte sie nicht einfach so davonspazieren. In dem Haus, dessen Rauchsäule nun dicker in den Himmel stieg, war etwas geschehen. Die Qual in der Melodie des Nebels lähmte sie beinahe, zog sie zu ihm hin. Sie wollte singen, tanzen, doch da gab es diese Misstöne, die all das Schöne im Lied zunichtemachte. Einmal ganz davon abgesehen, dass sie nicht singen konnte. Jedenfalls wusste sie nichts von einem Talent, das sie von irgendwoher geerbt haben konnte. Manchmal, wenn sie alleine war und niemand sie hören konnte, da sang sie. Nicht still und heimlich, sondern so laut, dass sie träumen konnte.

Nun der zweite Versuch:

 Rory tauchte in die Gedankenwelt des Mädchens ein, das sich auf dem Bett wand wie eine Schlange, die gebissen worden war. Ihre von Schweiss nasse Haut glänzte, doch Rory blieb ganz ruhig.

Dunkel lagen die Gefühle des Mädchens vor ihr. Sie störten die Melodie des Nebels, der sich mit ihrem Sein verflochten hatte und ihr Schrecken bereitete. Wie einen Stachel hatte er einen Ausläufer mit ihr verbunden, als sie ihn berührt hatte. Nun zerstörten die Ängste des Mädchens das Singen des Nebels, das Rory so mochte.

Ihrem Bauch folgend, erhob sie die Stimme. Erst waren es nur einzelne Töne, die sie übertrumpfte, um das Geflecht des Nebels zu verändern. Er wehrte sich nicht, als sie ihm anbot, mit ihr in der Musik zu verschmelzen, sondern folgte gern, als würde er selbst den Schrecken nicht mögen.

Sie wuchsen zu einer Einheit zusammen, und mit ihnen das Lied, das sie angestimmt hatten. Nur zu gern ging der Nebel auf ihre Vorschläge ein und verwandelte den Schrecken in Wohlwollen. Das Leid verschwand mit den falschen Tönen aus seinem Sein. Seine Magie blieb ihm erhalten, zerfaserte nicht wie seine Gestalt im Morgengrauen.

Rory liebte das Schauspiel, wenn der Nebel mit der Sonne um die Vorherrschaft rang. Jeder wusste, dass das Licht gewinnen würde, wenn der Tag anbrach, und doch kam der Nebel jede Nacht zurück. Licht und Schatten waren eine Einheit wie das Lied und der Nebel.

Mit einem Lächeln und der Melodie auf den Lippen, öffnete Rory die Augen. Das Mädchen, das sich eben noch im Schlaf gequält hatte, lag ruhig da. Sein Atem ging regelmässig.

Rory erhob sich, schenkte dem Kind einen letzten Blick und verliess das Zimmer.

Die Eltern sassen in der kleinen Kammer mit dem Esstisch aus dunklem Holz. Die Frau schnäuzte in ein Taschentuch, der Mann legte den Arm um sie und drückte sie aufmunternd, obwohl er selbst nicht sehr glücklich wirkte.

Als die Mutter Rorys Schritte vernahm, hob sie den Blick. »Und?«

Sie nickte. »Eure Tochter ist frei vom Schrecken des Nebels. Seht einfach zu, dass er weder sie noch Euch wieder berührt. Dass er sich Seelen nimmt, ist keine Mär, sondern die traurige Wahrheit.«

Nach der Bezahlung und einer knappen Verabschiedung, verliess sie das dunkle Bauernhaus. Die Stimmung hatte ihr mehr zu schaffen gemacht als der Schrecken, der sich diesmal einfach hatte lösen lassen.

Ausserdem mochte sie den Nebel. Er summte diese Melodie, die sie selbst kannte, doch nicht wusste, woher. Jeden, den sie gewagt hatte, danach zu fragen, hatte nur verständnislos den Kopf geschüttelt.

Als sie den Hof hinter sich liess, hiess der Nebel sie willkommen. Er strich um ihre Beine, lockte sie in den Wald und drängte ein Lachen aus ihr hervor. Immer tiefer folgte sie ihm zwischen den moosbewachsenen Baumstämmen den Hügel hinauf, der sie nach Hause zu den Jägern bringen würde.

Denn sie war eine Jägerin. Keine, die sich um besessene Kinder kümmerte.

Doch bis sie in ihre Realität zurückkehrte, wollte sie dem Klang der Freiheit lauschen.

Und dann noch ein drittes Mal.

Nebel, so hatten sie gesagt, trägt Magie in sich. Es sei eine dunkle Macht, die jedem den Verstand raubte, der ihn berührte.

Bei der Erinnerung an diese Worte drückte sich Rory tiefer in das Loch, das sich Zimmer schimpfte. Eine Kammer mit einem Bett und einer Kommode, kaum gross genug, um sich selbst um die eigene Achse zu drehen. Nicht liegend, sondern stehend.

Den Warnungen zum Trotz, bezweifelte sie, dass der Nebel so gefährlich war, wie ihre Freunde und Bekannten behaupteten. Er sang, wenn er des Nachts durch die Gassen ihres Dorfes strich und die ansonsten so unerschrockenen Jäger in die Häuser vertrieb. Nur den Nebel fürchteten sie.

Rory wollte sich nicht davor fürchten. Ihr Herz sang mit dem Nebel, tauschte sich mit ihm aus, lernte das Lied und brachte ihm neue bei. Es war, als seien sie Partner, bei dem jeder vom anderen lernte. Als respektierten sie sich gegenseitig.

Ein schöner Gedanke. Doch davon konnte sie nicht träumen. Wenn sie wahnsinnig würde wie die anderen Opfer des Nebels, würde niemand ihr helfen. Lieber schnitten sie ihr die Kehle auf, um ihr Zimmer und die wenigen Habseligkeiten an sich zu nehmen. Sie war eine Jägerin, eine von vielen, von der Gesellschaft verachtet, wenn nicht gar verboten, und nur in den Schatten akzeptiert.

Sie blickte auf die Kerze, die bedrohlich flackerte, als der Wind an den Fensterläden rüttelte. Oder war es der Nebel, der sich ihr nähern und sämtliche Hindernisse aus dem Weg räumen wollte? Hatte er sich sie als Ziel ausgesucht, als das nächste Opfer, das den Schrecken seiner Magie in wilden Träumen erleben würde?

Unweigerlich packte sie ihren Dolch und hätte beinahe aufgelacht. Als könnte ein Dolch sie gegen die Gefahren des Nebels beschützen. Als hätte irgendetwas Stoffliches auch nur den Hauch einer Chance gegen einen Gegner wie das düstere Weiss.

Die Melodie wurde leiser, dann wieder lauter. Ein wenig klang es, als würden die Jäger unten auf dem Festplatz einen besonderen Sieg feiern. Da spielte auch Musik, als gäbe es kein Morgen. Doch das Lachen der Männer fehlte, das Johlen des Siegers, wenn er zu viel getrunken hatte. Keine Bierkrüge schlugen gegeneinander. An den Fensterläden war kein Feuerflackern erkennbar, das die Feiern so prägte.

Bis auf das Rütteln an den Fensterläden und einem fernen Ruf eines Waldkauzes war es still.

Und die Musik im Nebel. Wie ein reissender Fluss zerrte sie an ihr, wollte sie in die Knie zwingen, sie mit sich fortführen, um ihr fremde Welten zu zeigen.

»Es ist nur der Lockruf. Nur eine Täuschung«, flüsterte sie und presste die Hände auf die Ohren.

Noch immer sang der Nebel. Er frohlockte. Wusste er, dass er sie gewonnen hatte? Dass sie ihm nicht widerstehen konnte, sollte er nicht bald aufhören?

Mutlos liess sie die Hände neben sich sinken und starrte das Fenster an. Wenn sie schon sterben musste, sollte sie sich nicht mehr quälen. Der Nebel hatte sie ausgewählt, sie verrückt zu machen, und die Jäger würden ihr nicht helfen. Wie also sollte sie diesem mächtigen Ruf widerstehen?

Sie blies die Kerze aus und stand auf. Mit wenigen Schritten erreichte sie das kleine Fenster und schloss es auf. Nur noch die Fensterläden. Kein Licht hinderte den Schrecken des Nebels noch daran, in ihre Kammer einzudringen.

Sie stiess sie auf.

Der Nebel frohlockte in den höchsten Tönen.

Rory schloss die Augen. Lächelte, als die Melodie des Nebels sie berührte, ihr Herz zum Taumeln brachte und warmes Glück in ihren Bauch zauberte.

Wenn das Verrücktsein war, dann war sie gern verrückt.

So, das waren jetzt drei mögliche Anfänge, von denen ich hoffe, dass der eine oder andere doch ein Versprechen mitgibt. Ich bin mir zwar nicht allzu sicher, da ich mir oft zu wenig Gedanken darum mache.

 

Übrigens habe ich schon "richtig" mit dem Schreiben begonnen, meinen Anfang hier aber nicht präsentiert. :-p Ich hatte ihn gerade nicht zur Hand, und dafür noch länger warten, wollte ich auch nicht.

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