· 

"Nur im Selbstverlag"

Kürzlich war ich auf einem kleinen Literaturfest und habe dort den Stand eines Vereins betreut, in dem ich Mitglied bin. In dieser Zeitspanne kam ein anderer Autor des Vereins als Besucher zu uns, wir kamen ins Gespräch. Der Autor, der mit mir am Stand war, fragte, ob er auch schon Bücher veröffentlicht habe.

»Ja, eins. Aber nur im Selbstverlag ...«

 

Was mich an der Aussage stört

Wer meinen Weg schon etwas verfolgt, der weiss, dass ich zwar mehr oder weniger ins Selfpublishing hineingestolpert bin, aber nun mit Leib und Seele meine Bücher selbst veröffentliche. Und ich war auch einmal an dem Punkt, an dem ich mir gesagt habe, dass ich "nur selbst veröffentlicht" habe.

 

Ich habe mich zwischen den Zeilen dafür entschuldigt, dass ich es überhaupt angesprochen habe. Dass ich dem Zuhörer diesen Schwachsinn ins Ohr pflanze.

 

Noch immer erinnere ich mich an das Gefühl, dass mich so klein gemacht hat.

 

»Nur im Selbstverlag ...«

 

Aber, verdammt, ich schreibe gute Geschichten, die die Leser lieben. Ich lasse sie professionell lektorieren und korrigieren, sodass sie auch mit einem Verlagsbuch mithalten können. Als Selfpublisher schreibt man nicht »nur ein Buch«, man macht noch so viel mehr.

 

(Und bitte, liebe Verlagsautoren, das ist KEINE Abwertung eurer Arbeit! Ich liebe eure Geschichten genauso wie die von Selfpublishern. <3)

 

Du hast ein ganzes Buch geschrieben. Ein. Ganzes. Buch.

 

Vielleicht auch schon zwei oder drei oder zwanzig! Weisst du, wie viele Stunden du in deine Geschichten und Erzählungen gesteckt hast?

 

Du hast so lange daran gearbeitet, bis du zufrieden warst, hast dir Hilfe in Form von Testlesern gesucht, hast weiter an deinen Formulierungen und Texten geschliffen. Besonders beim ersten Buch war die Überarbeitung der schwerste Teil des Ganzen. Ich hatte ein paar hilfreiche Hinweise bekommen, doch das bedeutete, dass ich rund 10% des ganzen Buches umschreiben musste. Das klingt erst einmal nach nicht viel, doch wenn man am Geschriebenen hängt, tut es weh, etwas zu löschen. Doch du hast das auch schon gemacht. Du weisst, wovon ich rede und dass es hin und wieder auch einfach schwer ist, die eigenen Lieblingsszenen umzuschreiben,

 

Du hast dir eine Lektorin oder einen Lektor gesucht, der weiter mit dir am Manuskript arbeitet, der noch genauer auf Formulierungen achtet, der die grossen und kleinen Zusammenhänge prüft. Ich hatte furchtbar Schiss vor dem ersten Lektorat, und noch immer bange ich, wenn die E-Mail meiner Lektorin eintrudelt. Was meint sie zu meinem Buch? Wie hat ihr diese Geschichte gefallen? Auch das hast du erlebt, überlebt ;-) und deine Lehren daraus gezogen. Auch wenn es Geld gekostet hat.

 

Du hast dich um ein Korrektorat bemüht, damit dein Text möglichst keine Grammatik- und Rechtschreibfehler hat. Dieser Schritt tut dem Geldbeutel weh, dem Autorenherz in der Regel jedoch nicht so. Doch du hast jemanden gefunden, der dein Buch weiter verfeinert.

 

Aus Hunderten, wenn nicht Tausenden von Coverdesignern hast du dir jemanden ausgesucht, der zu dir passt und dir ein schönes Kleid für deine Geschichte zaubert. Du hast mit ihm oder ihr diskutiert, hast Vorschläge gebracht, gelacht, wenn es einfach zum heulen aussah (oder geheult, weil es zum Schreien war), und so gelernt, dass es sinnvoll ist, der Intuition eines Designers zu vertrauen.

 

Du hast dir einen Klappentext einfallen lassen, nächtelang daran gefeilt, selbst beim Autofahren oder im Zug darüber nachgedacht, wie du eine sperrige Formulierung ändern oder eine Wortwiederholung vermeiden kannst.

 

Hinzu kommt der Titel. Dir einen einfallen lassen, dazu ein paar Alternativen. Du hast in verschiedenen Verzeichnissen danach gesucht, ob es ihn schon gibt.

 

Du hast dir ein Veröffentlichungsdatum überlegt. In verschiedenen Foren und Blogs hast du dich über die wirksamsten Werbemethoden ausgetauscht. Du schreibst Blogger an, fragst sie um eine Rezension oder um anderweitige Hilfe bei deiner Veröffentlichung an. Du verteilst Rezensionsexemplare, koordinierst die Beiträge.

 

Hoffst. Bangst.

 

Du schreibst Beiträge, suchst Schnipsel, bezahlst vielleicht für bezahlte Werbeanzeigen. Du teilst auf Social Media, hast dich vielleicht nur deswegen dort angemeldet und eingefuchst.

 

Du wartest auf die Verkaufszahlen.

 

Hoffst und bangst.

 

Und in all der Zeit verlierst du nie den Glauben an dein Buch. Du hast kein riesiges Team im Rücken, das dir sagt, wie gut, wie toll deine Geschichte ist. Das schleift und diskutiert und optimistisch in die Zukunft blickt. Du bist dein einziger Optimist. Du hast auch keine Backlist mit 200, 20'000 Büchern, die einen finanziellen Verlust abfedern würden. All deine Hoffnungen liegen auf dieser einen Geschichte, die dich selbst so mitgerissen hat, dass du früher aufgestanden bist oder deinen Tagesablauf umgekrempelt hast, um zu schreiben.

 

Du gehst mit schlechten Rezensionen um, freust dich über positive Kritiken. Du analysierst die bemängelten Punkte, um es in Zukunft besser machen zu können.

 

Vielleicht wird dein erstes Buch schon ein (finanzieller) Erfolg.

 

Wahrscheinlich nicht.

 

Und du? Am Anfang geknickt, doch dann stehst du auf, setzt dich an deinen PC und schreibst am nächsten Buch, weil dich die Leidenschaft nicht loslässt.

 

Nach bald fünf Jahren ...

Auch ich habe mich versteckt und mich kaum getraut, von meinen Geschichten zu erzählen. Meistens machte mein Mann andere auf meine Bücher aufmerksam. Ich habe mich fast in Grund und Boden geschämt.

 

Doch heute ist es anders. Mein Weg ist halt ein anderer als der der Verlagsautoren, doch er ist meiner, und hat damit die Achtung genauso verdient wie ein Verlagsautor.

 

Ich feiere die Rohfassung. Die erste Überarbeitung. Die zweite. Die Testleserrunde. Das Ende des ersten Lektoratdurchgangs. Das Ende des zweiten. Das Cover. Die Veröffentlichung.

 

Aber am allerwichtigsten: Ich bringe mir und meiner Arbeit die Wertschätzung entgegen, die ich auch anderen Autoren gegenüber empfinde.

 

Heute kann ich mit offenem Blick von meinen Büchern erzählen. Aber es war eine lange Reise für mich. Deshalb lass dich nicht stressen, wenn es bei dir auch länger dauert, wenn du dich nicht sicher fühlst, wenn es einfach noch nicht passt. Aber lasse es auch nicht zu, dass du glaubst, ein Buch aus dem Selbstverlag sei weniger wertvoll als eines aus einem grossen Verlag. In beiden steckt dieselbe Arbeit und Leidenschaft.

 

Glaube an dich. Du schaffst das! <3

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Julei Brenz (Mittwoch, 20 April 2022 19:32)

    danke für den schönen Artikel, du hast absolut recht, mir ist das 'nur' auch schon rausgerutscht, obwohl ich inzwischen im kopf begriffen habe, dass ich es genau so haben will:-)

  • #2

    Andrea (Dienstag, 26 April 2022 07:28)

    Ich glaube, es braucht auch viel Zeit, bis man das wirklich verinnerlicht hat. Aber ich finde, wenn man so viel in seine Bücher investiert wie wir, dann müssen wir uns auch nicht verstecken. ;-)